Strukturelle Marktprobleme und hohe Energiekosten setzen Europas Chemieindustrie weiter unter Druck
Dow zieht Konsequenzen: Drei europäische Upstream-Anlagen vor dem Aus
Mittwoch, 09. Juli 2025
| Redaktion
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Neben den Chlor-Alkali- und Vinylanlagen von Dow in Schkopau stehen die Ethylen-Crackers in Böhlen sowie die Basis-Siloxan-Produktion im britischen Barry vor dem Aus
Neben den Chlor-Alkali- und Vinylanlagen in Schkopau stehen die Ethylen-Crackers in Böhlen sowie die Basis-Siloxan-Produktion im britischen Barry vor dem Aus, Bild: Dow / Horst Fechner

Der US-Chemiekonzern Dow hat weitreichende Schritte zur Optimierung seines europäischen Produktionsportfolios angekündigt. Im Fokus stehen drei Upstream-Anlagen in Deutschland und Großbritannien, deren Stilllegung bis spätestens Ende 2027 vorgesehen ist. Hintergrund sind anhaltend strukturelle Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf Energiepreise, Nachfrageentwicklung und Handelsrisiken innerhalb Europas.

Strategische Konsolidierung statt Kapazitätsausbau

Mit der geplanten Schließung des Ethylen-Crackers in Böhlen, der Chlor-Alkali- und Vinylanlagen (CAV) in Schkopau sowie der Basis-Siloxan-Produktion im britischen Barry setzt Dow konsequent auf eine Konsolidierung seines europäischen Upstream-Geschäfts. Ziel ist es, das Produktionsnetzwerk an die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen und weniger effiziente sowie kostenintensive Anlagen aus dem Portfolio zu entfernen.

Dow-CEO Jim Fitterling betont: „Unsere Branche sieht sich in Europa nach wie vor mit schwierigen Marktdynamiken konfrontiert. Durch gezielte Maßnahmen stärken wir unsere Rentabilität und erhöhen unseren operativen Cashflow.“

Finanzielle Effekte und Zeitplan

Laut Unternehmensangaben sollen die Maßnahmen ab 2026 spürbare positive Effekte auf das operative EBITDA haben. Bis Ende 2027 sollen bereits fünfzig Prozent des angestrebten Zielwerts von rund 200 Millionen Dollar erreicht sein. Die vollständige Umsetzung – einschließlich Rückbau und Entsorgung – ist für das Jahr 2029 anvisiert. Dem stehen Investitionsausgaben von rund 500 Millionen Dollar gegenüber. Belastungen von insgesamt 630 bis 790 Millionen Dollar werden einkalkuliert, etwa durch Abschreibungen, Rückstellungen sowie Rückbaukosten und Abfindungen.

Stellenabbau trifft auch deutsche Standorte

Die Restrukturierung betrifft rund 800 Stellen weltweit, zusätzlich zu den bereits im Januar 2025 angekündigten 1.500 Stellen, die konzernweit wegfallen sollen. Insbesondere die deutschen Dow-Standorte Böhlen und Schkopau sind von der aktuellen Entscheidung betroffen. Das Unternehmen hat angekündigt, die gesetzlich vorgeschriebenen Informations- und Konsultationsprozesse mit lokalen Interessengruppen und Behörden ordnungsgemäß umzusetzen.

Dow bleibt bei Wachstumsstrategie außerhalb Europas

Trotz der Konsolidierung in Europa verfolgt Dow weiterhin eine Wachstumsstrategie, allerdings mit einem deutlich regional differenzierten Fokus. Der Konzern will sich stärker auf Märkte mit stabileren Rahmenbedingungen konzentrieren und dort durch gezielte Investitionen Wertschöpfungspotenziale heben.

Hintergrund: Dow in Europa

Dow ist in Europa an zahlreichen Standorten aktiv und unterhält dort bedeutende Produktionsanlagen für Zwischenprodukte, Kunststoffe und Spezialchemikalien. Die europäischen Aktivitäten gelten aufgrund steigender Energie- und Rohstoffkosten sowie verschärfter Regulierungen zunehmend als herausfordernd. Die nun angekündigten Schließungen sind Teil einer im April 2025 eingeleiteten Überprüfung des globalen Anlagenportfolios.

Gewerkschaft IGBCE kritisiert Dow-Ankündigung der Schließung scharf

Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis betont: „Heute ist ein tiefschwarzer Tag für das Chemiecluster Mitteldeutschland. Die Auswirkungen der angekündigten Anlagenschließungen in Böhlen und Schkopau sind verheerend, nicht nur für die 550 unmittelbar betroffenen Beschäftigten an den beiden Standorten, sondern für die gesamte Region.“ Im mitteldeutschen Chemiedreieck sei Dow mit seinen Standorten ein zentraler Akteur, von den beiden Anlagen in Schkopau und Böhlen würden in der Wertschöpfungskette zahlreiche andere Anlagen und Unternehmen abhängen.

Stephanie Albrecht-Suliak, Leiterin des IGBCE-Landesbezirks Nordost, betont: „Wir werden diese wichtige, mitteldeutsche Industrieregion nicht einfach aufgeben. Dow muss Verantwortung übernehmen, zumal das Unternehmen in Mitteldeutschland jahrzehntelang gutes Geld verdient hat.“ Weiter fordert sie: „Wirtschaft und Politik müssen jetzt alles tun, um gemeinsam nachhaltige Lösungen für die Anlagen, für den Verbundstandort und für die guten Industriearbeitsplätze in Ostdeutschland zu bauen.“

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